Institut für Führungslernen

Welche Rolle spielen Rollenspiele?

Claudius Fischli

 

Rollenspiele in Training und Beratung geniessen nicht den allerbesten Ruf. Für die einen sind sie prinzipiell „künstlich“ und widerspiegeln nicht die „richtige“ Welt. Andere exponieren sich nicht gern und fühlen sich unsicher ausserhalb vertrauter Verhaltensroutinen. Wieder andere stünden Rollenspielen prinzipiell gar nicht einmal ablehnend gegenüber. Wenn es nur nicht so wäre, dass das Niveau der zu spielenden Situationen oftmals eher an die Teletubbies erinnert als an Arbeit mit Erwachsenen.

 

Niemandem soll die subjektive Sicht auf Sinn oder Unsinn von Rollenspielen streitig gemacht werden. Vielleicht aber macht folgende ganz persönliche Erfahrung im Zusammenhang mit dieser Methode Lust, sich doch (noch) einmal auf das spielerische Erkunden eigener und fremder Rollen, Muster und Möglichkeiten einzulassen.

 

Im Rahmen eines internationalen Lehrgangs hatte ein Teilnehmer aus einem südamerikanischen Land die Rolle eines werdenden Vaters zugeteilt erhalten. Diese Rolle beinhaltete, eine bestimmte Auszeit vor und nach dem voraussichtlichen Geburtstermin Urlaub durch zu setzen – gegen die ebenfalls legitimen Urlaubswünsche der zahlreichen anderen Gruppenmitglieder.

 

Gegen Schluss des Rollenspiels sicherte sich der Teilnehmer seinen Urlaubswunsch mit einem Plädoyer der ganz besonderen Art: sehr engagiert und feierlich im Ton und gleichzeitig unnachahmlich schalkhaft forderte er die Kolleginnen und Kollegen auf, sich vorzustellen, wie traurig es für den kleinen „Hectorito“ wäre, ohne seinen Papa Hector auf die Welt zu kommen. Die Mischung aus echter Emotionalität und Augenzwinkern war es wohl, die die Gruppe veranlasste, dem rollenspielenden Papa in spe die volle Urlaubszeit zu gewähren. Wohlgemerkt um sich mit diesem Entgegenkommen die Lösungsfindung keineswegs einfacher zu machen.

 

Einige Zeit später dann die verblüffende Nachricht: Hectorito ist unterwegs. Wirklich. No kidding. Auf die scherzhafte Nachfrage, ob das Rollenspiel damit zu tun gehabt habe, meinte der Teilnehmer Hector: Ob wir es glauben oder nicht – im Rollenspiel habe er gemerkt, dass es ein gutes Gefühl gewesen sei, Papa zu werden. Das habe er dann seiner Frau gesagt und das hätten sie dann gleich umgesetzt.

 

Mittlerweile krabbelt dieser Knirps irgendwo in Südamerika herum, dieser lebende Beweis, dass Rollenspiele manchmal eine Rolle spielen.

 

Mail an den Autor: fischli@l-drei.ch

 

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